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Sichere Räume beim Breathwork: Eine ehrliche Reflexion über Versprechen, Grenzen und echte Verbindung

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
7.10.25
15 Minuten Lesezeit
A diverse group of seven people lie in a circle on the gras, heads together, eyes closed, consciously breathing.

„Dies ist ein sicherer Raum, in dem du tief in deine Erfahrung eintauchen und dich fallen lassen kannst." – Diesen oder ähnliche Sätze höre ich nach wie vor sehr häufig von Practitionern und Coaches – nicht nur im Breathwork, sondern in allen möglichen Räumen für spirituelle Erfahrungen und Wellness-Angebote.

Als Breathwork-Trainerin und Coach arbeite ich seit Jahren daran, Räume zu schaffen, in denen Menschen sich wohl und gehalten fühlen können. Gleichzeitig habe ich mit der Zeit verstanden, dass das Versprechen eines „sicheren Raums" komplexer ist, als es zunächst scheint. Vielen Menschen fehlt das tiefere Verständnis dafür, was einen „sicheren Raum“ überhaupt ausmacht. Und nur weil wir unseren Raum „sicher“ nennen, heißt das noch lange nicht, dass er es wirklich ist – oder dass wir das wirklich versprechen können.

In diesem Blogartikel möchte ich daher ganz ehrlich mit dir über die Komplexität dieses Themas sprechen – sowohl aus Perspektive von Teilnehmer*innen als auch aus Sicht der Anbieter*innen. Dabei spreche ich hier konkret über Räume und Erfahrungen im Breathwork-Kontext – die Thematik gilt aber auch für jegliche andere Form von spirituellen Zirkeln, (Online-)Kursen, Sessions oder einfach Räumen, in denen Menschen zusammenkommen.

Warum sichere Räume so wichtig sind

Lass uns mit dem Offensichtlichen beginnen: Wenn Menschen auf eine tiefe, potentiell transformative innere Reise mit ihrem Atem gehen, ist ihre (emotionale, mentale und physische) Sicherheit natürlich essentiell!

Breathwork kann tiefgreifende Erfahrungen auslösen – Emotionen können hochkommen, Körpererinnerungen aktiviert werden, und manchmal fühlen sich Menschen während oder nach einer Session besonders verletzlich. Viele bringen traumatische Erfahrungen mit, haben verletzliche Geschichten zu erzählen oder öffnen sich zum ersten Mal bewusst für tiefere körperliche und emotionale Erfahrungen. In unserer oft unsicheren Welt sehnen sich viele nach einem Ort, an dem sie authentisch sein können, ohne bewertet oder verletzt zu werden. Diese Sehnsucht ist absolut nachvollziehbar und berechtigt.

Als Breathwork-Anbieter*innen ist es unsere Verantwortung, alles dafür zu tun, dass unsere Räume möglichst sicher sind. Ein Raum, der liebevoll und sicher gehalten wird, kann den Unterschied zwischen Heilung und Retraumatisierung bedeuten. Und gleichzeitig – und das ist sicherlich für viele eine bittere Pille – können wir diese Sicherheit niemals garantieren.

Warum wir Sicherheit nicht garantieren können

Ich gehe davon aus, dass die meisten Breathwork-Anbieter*innen alles tun, um ihre Teilnehmenden zu schützen und zu unterstützen. Und trotzdem ist die Wahrheit, dass wir niemals hundertprozentig garantieren können, dass sich jeder Mensch in unserem Raum sicher fühlt. Das hat mehrere Gründe, auf die ich im nachfolgenden tiefer eingehen möchte.

Unsere eigenen unbewussten Prägungen

Zunächst müssen wir ehrlich mit uns selbst sein: Wir alle tragen unbewusste Prägungen in uns.

Ich bin beispielsweise eine weiße Frau mit Hochschulabschluss, die in einer Gesellschaft aufgewachsen ist, die auf kolonialen, patriarchalen und rassistischen Strukturen basiert. Ob ich es angenehm finde, mir das einzugestehen, oder nicht: ich habe unter anderem koloniale, kapitalistische, rassistische und auch misogyne Glaubenssätze internalisiert, die sich auch immer wieder in meiner Arbeit zeigen können.

Obwohl ich mir einiger dieser Themen bewusst bin und konstant versuche daran zu arbeiten, kann ich nicht ausschließen, dass durch manche meiner Denkmuster, meiner Worte oder meiner Verhaltensweisen Räume für Menschen aus marginalisierten Gruppen unsicherer sein könnten als für Menschen, die ähnliche Privilegien haben wie ich.

Eine meiner Lehrer*innen und Breathwork-Kolleg*in Hannah Kendaru von Inspire Breathwork hat es einmal wie folgt formuliert: „Wenn du deine Arbeit nicht dekolonisiert hast, wenn du nicht verstanden hast, wie Kapitalismus, Rassismus und das Patriarchat durch dich wirken – dann kann Sicherheit niemals garantiert werden."

Ich verstehe, dass diese Erkenntnis zunächst unbequem ist (war sie für mich auch!). Sie fordert uns auf, kontinuierlich an uns selbst zu arbeiten, unsere Privilegien zu reflektieren und zu verstehen, dass dieser Prozess niemals abgeschlossen ist.

Die individuellen Geschichten unserer Teilnehmenden

Jede Person bringt ihre eigene Geschichte mit in unsere Räume. Manche Menschen haben Traumata erlebt, die es ihnen schwer machen, sich überhaupt sicher zu fühlen – unabhängig davon, wie liebevoll der äußere Raum gestaltet ist. Ein dysreguliertes Nervensystem kann Gefahr wittern, wo keine ist, und das ist nicht die Schuld der betroffenen oder ein Versagen der anleitenden Person.

Wenn wir Verständnis dafür entwickeln, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Geschichten nicht gleich sicher fühlen können, eröffnet dies die Möglichkeit für mehr Empathie und Mitgefühl – was in sich wieder dazu beitragen kann, dass Menschen offener, ehrlicher und authentischer sein können mit dem, was für sie wirklich präsent ist (und das sind manchmal eben auch Gefühle von Unsicherheit oder Angst).

Die Unvorhersagbarkeit menschlicher Interaktionen

Und schließlich können auch in der liebevollsten Gruppe Dynamiken entstehen, die für einzelne Personen triggernd sind. Ein unbedachter Kommentar, eine Geste, die falsch interpretiert wird, oder einfach die Anwesenheit bestimmter Menschen kann für manche Teilnehmer*innen das Sicherheitsgefühl beeinträchtigen.

Ganz zu Schweigen davon, dass wir nie hundertprozentig wissen und garantieren können, ob wirklich alle Personen allen anderen in unserem Raum die gleiche Offenheit und das gleiche Wohlwollen entgegenbringen wie wir es tun und uns wünschen.

Das Problem mit dem Sicherheitsversprechen

Hier kommt das wirkliche Problem: Wenn wir als Breathwork-Coaches leichtfertig versprechen, dass unsere Räume „sicher" sind, ohne die Komplexität dieses Versprechens zu verstehen, schaffen wir sehr wahrscheinlich mehr Probleme als Lösungen.

Das oberflächliche Versprechen von Sicherheit kann eine Form des emotionalen Bypassings sein. Anstatt echte Beziehungen aufzubauen, Vertrauen langsam zu entwickeln und transparent über unsere Grenzen zu sein, wird Sicherheit als gegeben vorausgesetzt. Echter Vertrauensaufbau braucht jedoch Zeit, Konsistenz und authentische Begegnungen.

Außerdem kann für Menschen, die sich in ihren Körpern nicht wirklich sicher fühlen, das Versprechen äußerer Sicherheit sogar kontraproduktiv und ein Disservice für ihre (Heilungs-)Reise sein. Es kann sie dazu einladen, ihre eigenen Körpersignale zu ignorieren und sich sicherer zu fühlen (oder zu denken, sie fühlten sich sicherer), als sie es tatsächlich sind. Echte Heilung erfordert jedoch oft zunächst das Anerkennen der aktuellen Realität – auch wenn diese (noch) nicht sicher ist.

Und schließlich ist es unglaublich wichtig zu verstehen, dass unsere Körper und Nervensysteme in der Regel sehr akkurat auf die Umwelt reagieren, in der wir leben. In einer Zeit von steigendem Faschismus, Genoziden und zunehmender Verfolgung von Minderheiten ist es berechtigt und klug, wenn manche Menschen sich nicht sicher fühlen. Diese Realität und die daraus entstehenden berechtigten Ängste zu ignorieren, weg reden oder sogar „wegatmen“ zu wollen, ist nicht nur nicht hilfreich, sondern auch zutiefst verletzend.

Sicherheit als gemeinsamen Prozess verstehen

Anstatt Sicherheit zu versprechen, können wir einen transparenteren und ehrlicheren Ansatz wählen, der im Idealfall dafür führt, dass unsere Räume wirklich sicherer werden.

Wir können damit starten, dass wir statt einer Garantie unsere Absicht kommunizieren, dass wir einen Raum schaffen wollen, in dem sich alle so sicher wie möglich fühlen sollen.

Zudem können wir offen unsere Grenzen kommunizieren. Wenn wir beispielsweise keine Erfahrung in der Arbeit mit Traumata haben (oder nicht die Ausbildungen haben, um Traumata überhaupt halten zu dürfen), sollten wir das transparent machen und Menschen gegebenenfalls an entsprechende Fachkräfte verweisen.

Anstatt Sicherheit von außen zu versprechen, können wir Menschen dabei unterstützen, ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu kommunizieren. Wir können ihnen die Erlaubnis geben, jederzeit zu pausieren, den Raum zu verlassen oder ihre Bedürfnisse zu äußern. Das ist wirkliches Empowerment statt Bypassing von Empfindungen.

Und schließlich ist es unsere Verantwortung als Breathwork-Anbieter*innen, kontinuierlich unsere eigene innere Arbeit zu fokussieren. Das bedeutet, unsere Privilegien zu reflektieren, uns weiterzubilden und ehrlich mit unseren blinden Flecken umzugehen. Dies alles endet nicht mit Abschluss einer (Breathwork-)Ausbildung.

Praktische Schritte für mehr Sicherheit in der Breathwork-Praxis

An dieser Stelle möchte ich noch einige praktische Punkte mit dir teilen, mit denen du zwar weiterhin keine Sicherheit in deinen Räumen garantieren kannst, die aber höchstwahrscheinlich dazu beitragen werden, dass deine Räume insgesamt sicherer werden.

Stelle bereits vor der eigentlichen Session sicher, dass Teilnehmer*innen alle wichtigen Informationen über den Ablauf und mögliche Erfahrungen haben. Führe ausführliche Gespräche über Kontraindikationen und gesundheitliche Aspekte, kläre Erwartungen und Grenzen und erkläre den Teilnehmer*innen, dass sie das Recht haben, jederzeit ihre Atem-Session zu pausieren oder vollständig zu stoppen.

Achte während der Session auf die Energie im Raum. Checke regelmäßig mit den Teilnehmer*innen ein, sei dabei klar und empathisch. Außerdem lohnt es sich immer, flexibel im Ablauf zu sein, und Anpassungen vorzunehmen, wenn sie nötig sind.

Die wahre Arbeit beginnt für viele erst nach dem Breathwork. Achte darauf, dass genug Raum für Integration und Erdung da ist und dass es gegebenenfalls Möglichkeiten zum Austausch gibt, wenn diese gewünscht sind (ohne Druck). Stelle Nachsorge-Informationen zur Verfügung und sei für Fragen und bei Schwierigkeiten auch im Nachgang erreichbar.

Und schließlich möchte ich noch einmal darauf hinweisen, wie wichtig deine eigene kontinuierliche Entwicklung als Breathwork-Anbieter*in ist. Arbeite an deinen eigenen Themen und blinden Flecken. Bilde dich weiter, besonders zu Trauma-sensibler Arbeit, nimm an Supervisionen teil und gehe mit anderen Fachkräften in den Austausch. Vergiss dabei nicht, verschiedene Perspektiven und Stimmen einzubinden, um deine Perspektiven wirklich erweitern zu können.

Wenn du auf der Suche nach einer Ausbildung bist, in der du lernst, wie du deine (Breathwork-)Räume möglichst sicher gestalten kannst, während du dich parallel mit deiner eigenen Entwicklung und deinen blinden Flecken beschäftigst, schau dir gerne meine 12-monatige Online Breathwork-Ausbildung an.

Sicherheit als relationales Konzept verstehen

Ich möchte auch noch darüber sprechen, wie echte Sicherheit letztlich wirklich entstehen kann. Nämlich nicht durch ein oberflächliches Sicherheitsversprechen, sondern durch echte Beziehung. Dabei basiert Sicherheit auch auf Vertrauen. Sie wird in jedem Moment neu verhandelt, aufgebaut und gepflegt. Sie erfordert von allen Seiten Aufmerksamkeit, Ehrlichkeit und Verantwortung.

Als Breathwork-Anbieter*innen dürfen wir lernen, Sicherheit als einen dynamischen Prozess zu verstehen, nicht als einen statischen Zustand. Wir können anerkennen, dass manche Menschen sich aufgrund ihrer Lebenserfahrungen nicht sofort sicher fühlen können – und dass das völlig in Ordnung und sogar weise ist.

Und paradoxerweise entsteht oft mehr echte Sicherheit, wenn wir ehrlich sind über die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wenn wir transparent kommunizieren, aufmerksam bleiben und bereit sind, Fehler zu machen und daraus zu lernen – genau damit können wir Vertrauen schaffen, dass dann Raum für ein größeres Sicherheitsgefühl macht.

Eine Einladung zur Reflexion

Zum Abschluss dieses recht langen Artikels möchte ich dich nun einladen, dir einen Moment zu nehmen, um über folgende Fragen nachzudenken und die Antworten vielleicht sogar aufzuschreiben:

Was bedeutet Sicherheit für dich persönlich?

Was brauchst du, um dich in einem (neuen) Raum wohl und vielleicht auch sicher zu fühlen?

Woran merkst du, wenn du dich sicher(er) fühlst?

Wie kannst du deine Grenzen wahrnehmen und kommunizieren?

Und wenn du selbst jemand bist, der Räume für andere Menschen öffnet (sei es für Breathwork-Sessions oder andere Angebote), lade ich dich auch noch ein, tiefer zu gehen hinsichtlich deiner eigenen Prägungen:

Welche unbewussten Prägungen und Glaubenssätze könntest du in dir tragen?

Was kannst du konkret tun, um dich mit diesem Thema weiter auseinanderzusetzen und zu lernen?

Die Zukunft sicherer Breathwork-Räume liegt nicht in perfekten Versprechen, sondern in ehrlicher, kontinuierlicher Arbeit. Sie liegt in der Bereitschaft, unsere eigenen Grenzen anzuerkennen, aus Fehlern zu lernen und immer wieder neu zu beginnen.

Sie liegt auch in der kollektiven Verantwortung unserer Community. Letztendlich geht es nicht darum, perfekt zu sein oder alle Probleme zu lösen. Es geht darum, einander mit offenem Herzen, mit Mitgefühl und Verantwortung zu begegnen.

Wie erlebst du das Thema Sicherheit in Breathwork-Räumen? Welche Erfahrungen hast du gemacht – als Teilnehmer*in oder als Anbieter*in? Ich freue mich auf einen ehrlichen Austausch in den Kommentaren.

Alles Liebe,

deine Svenja

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
7.10.25
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