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Unsere individuelle Heilung für gesellschaftlichen Wandel

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
13.5.24
10 Min. Lesezeit
Ein beschriebenes Journal auf einem Tisch, ein Stift liegt darauf.

In diesem Blogartikel möchte ich eine Frage mit dir erkunden, die mich seit Langem beschäftigt: Können wir die Welt verändern, wenn wir ausschließlich an uns selbst arbeiten? In unserer Reise zur persönlichen Heilung entdecken wir oft tiefgreifende Einsichten und Methoden, die unser eigenes Leben zum Besseren wenden. Aber wie steht es um die Welt um uns herum?

Lass mich ganz am Anfang beginnen, um dir ein bisschen Kontext für diesen Artikel zu geben: Ich bin eine weiße, heterosexuelle cis-Frau, die sich als spirituell versteht und als Breathwork-Coach tätig ist. Ich bewege mich vor allem in einer nach wie vor sehr weißen Wellness- & Coaching-Branche, die den individuellen Heilungsweg in den Vordergrund stellt und priorisiert.

Mir begegnen hier häufig Menschen, deren Ansatz sich ungefähr so oder so ähnlich anhört:

„Ich fokussiere vor allem meine eigene Heilungsreise und ignoriere die Probleme in unserer Gesellschaft oder der Welt, weil sie mich von meiner Heilung ablenken oder meine Energie trüben. Wenn sich jeder auf seine eigene Heilung konzentriert, verändert sich die Welt automatisch.“

Ich bin mir sicher, dass diese Menschen mit einer guten Intention ihre Reise antreten. Aber schon seit einiger Zeit fühlt sich dieser Ansatz für mich nicht mehr stimmig an – und in diesem Blogartikel möchte ich dies etwas tiefer mit dir beleuchten.

Die Kraft der persönlichen Transformation

Meine eigene Reise und die Arbeit, die ich tue, haben mich gelehrt, dass die Heilung des Einzelnen unglaublich mächtig ist. Durch bewusstes Atmen, durch das Erkunden der Tiefen unseres Seins mit Techniken wie Breathwork, können wir Blockaden lösen, alte Wunden heilen und ein Fundament für ein erfülltes, authentisches Leben legen.

Diese persönliche Transformation ist essenziell. Sie befreit uns von den Fesseln, die uns zurückhalten, löst Blockaden, die wir vielleicht schon in unserer Kindheit entwickelt haben, und sie eröffnet neue Wege des Seins.

Gleichzeitig habe ich im Rahmen dieser inneren Arbeit eine wichtige Erkenntnis erlangt: Individuelle Heilung ist nur ein Teil des Puzzles. Sie ist der Anfang, nicht das Ende.

Vom Ich zum Wir: Der nächste Schritt

Wir leben in einer Welt, in der die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiterwächst, in der rassistische und geschlechtsspezifische Diskriminierung tief in den Strukturen unserer Gesellschaft verankert sind, und in der die Umweltkrise zu einer existenziellen Bedrohung für uns alle geworden ist.

Diese Probleme sind das Ergebnis struktureller Ungleichheiten – systematische Benachteiligungen, die in unseren Institutionen verankert sind und bestimmte Gruppen über andere stellen – und können nicht einfach durch individuelles Handeln gelöst werden.

Zum Beispiel kann das Bildungssystem, das oft als großer Gleichmacher gepriesen wird, in Wirklichkeit die soziale Ungleichheit verstärken, indem es Kindern aus wohlhabenden Familien bessere Chancen bietet, während Kinder aus ärmeren Verhältnissen zurückbleiben.

Der Klimawandel, ein weiteres kollektives Problem, erfordert globale Kooperationen und politische Maßnahmen weit über individuelles Umweltbewusstsein hinaus, um wirkungsvoll bekämpft zu werden.

Diese und viele andere Beispiele zeigen, dass wahre Veränderung eine Bewegung vom Ich zum Wir erfordert. Unsere persönlichen Heilungsprozesse sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer gerechteren Welt. Aber sie müssen der Ausgangspunkt sein, um uns für das größere Ganze einzusetzen. Dies bedeutet, gemeinsam für Veränderungen in den Strukturen zu kämpfen, die Ungleichheit und Ungerechtigkeit erzeugen und aufrechterhalten.

Der gesellschaftliche Wandel beginnt mit uns

Unsere individuellen Heilungsreisen sind kraftvolle Werkzeuge, die uns befähigen, aktiv zu werden und uns für die Veränderungen einzusetzen, die wir in der Welt sehen möchten. Indem wir uns selbst heilen, bauen wir die Resilienz und Stärke auf, die notwendig sind, um die strukturellen Probleme unserer Gesellschaft anzugehen.

Doch unsere individuelle Heilung allein genügt nicht. Für Frieden zu meditieren, ohne aktiv zu werden, während draußen Krieg herrscht, wird den Krieg und die Menschen, die den Krieg führen, nicht stoppen. Sie hilft auch den Menschen, die akut unter dem Krieg leiden, nicht.

Wir müssen unsere erlangte Weisheit und Kraft nach außen tragen, uns vernetzen und gemeinsam handeln. Ob in kleinen Gemeinschaften oder in größeren Bewegungen. Wir müssen unsere Stimmen erheben, uns organisieren und für politische Maßnahmen einsetzen, die auf eine tiefgreifende Veränderung unserer Gesellschaft abzielen. Wir müssen Bündnisse bilden, die über die Grenzen von Nation, Rasse, Geschlecht und sozioökonomischem Status hinausgehen, und uns für eine Welt einsetzen, in der Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Realität sind.

Die Rolle von Privilegien und Verantwortung

Als ich mich zum ersten Mal intensiver mit dem Konzept der Privilegien auseinandersetzte, war es für mich wie das Öffnen einer neuen Tür zur Welt. Als weiße, heterosexuelle, cis-Frau mit einem akademischen Abschluss wurde mir klar, dass ich in vielen Aspekten des Lebens von Vorteilen profitiere, die mir einfach so zufallen – nicht durch meine Leistungen, sondern durch die Strukturen unserer Gesellschaft.

Diese Erkenntnis war zugleich ein Weckruf: Mit Privilegien kommt Verantwortung.

Diese Verantwortung zu erkennen, bedeutet zu verstehen, dass wir, die wir privilegiert sind, eine wichtige Rolle im Kampf gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit spielen. Es geht nicht darum, sich schuldig zu fühlen für die Privilegien, die wir haben. Vielmehr geht es darum, aktiv zu werden und unsere Position zu nutzen, um Räume für diejenigen zu öffnen und zu sichern, deren Stimmen allzu oft an den Rändern unserer Gesellschaft verloren gehen.

In meinem Business biete ich beispielsweise vergünstigte Preise und Stipendiumsplätze für Menschen aus marginalisierten Gruppen an, um positive Veränderungen zu fördern und sichere Räume zu schaffen.

Warum liegt es in der Verantwortung von Menschen mit Privilegien, sich für strukturelle Veränderungen einzusetzen?

Weil wir in der einzigartigen Position sind, Barrieren zu durchbrechen und Zugänge zu schaffen, ohne dabei die gleichen Risiken oder Hindernisse zu erfahren, die marginalisierte Gruppen tagtäglich überwinden müssen. Unser Einsatz kann Türen öffnen und Plattformen bieten, auf denen die Vielfalt der Stimmen und Erfahrungen Gehör findet.

Dies bedeutet, aktiv zuzuhören, Raum zu geben, statt einzunehmen, und unsere Ressourcen und Netzwerke zu nutzen, um die Arbeit derer zu unterstützen, die gegen Ungerechtigkeiten kämpfen. Es bedeutet auch, unsere eigenen Vorurteile und blinden Flecken zu hinterfragen und uns kontinuierlich weiterzubilden, um nicht unwissentlich zu den bestehenden Problemen beizutragen.

Dieser Weg ist nicht immer leicht, und ich lerne ständig dazu. Aber ich bin überzeugt, dass jeder Schritt, den wir auf diesem Weg gehen, zählt. Und ich glaube fest daran, dass wir, wenn wir alle – besonders wir mit Privilegien – zusammenarbeiten und einander unterstützen, eine tiefgreifende und dauerhafte Veränderung herbeiführen können.

Wie wir die Welt gemeinsam verändern können

Unser Engagement für sozialen Wandel kann viele Formen annehmen: von der Unterstützung lokaler Initiativen und Organisationen, die sich für Gerechtigkeit und Umweltschutz einsetzen, bis hin zur Teilnahme an politischen Diskussionen und Aktionen. Es geht darum, nicht nur für unsere eigene Heilung, sondern auch für die Heilung unserer Gesellschaft zu arbeiten.

Die Gesellschaft wird von einer Vielzahl von Individuen geprägt, und jeder von uns spielt eine Rolle in diesem großen Gefüge. Unsere individuellen Transformationen können, wenn sie zusammenkommen, eine Welle des Wandels erzeugen, die weit über uns selbst hinausgeht.

Die Brücke von der Selbstheilung zur Weltveränderung

Indem wir also an uns selbst arbeiten, legen wir den Grundstein für tiefgreifende Veränderungen. Doch unsere Reise darf hier nicht enden. Lass uns unsere erlangten Einsichten und unsere Heilung als Sprungbrett nutzen, um aktiv zu werden und für eine bessere Welt im Außen einzusetzen.

Mein Appell an dich: Verstecke dich nicht hinter deiner individuellen Heilung. Nutze sie als Ausgangspunkt, um Teil einer Bewegung zu werden, die für positive Veränderungen in unserer Welt kämpft. Denn ja, wir können die Welt verändern – aber nur, wenn wir bereit sind, uns gemeinsam für sie einzusetzen.

Ich freue mich darauf, diesen Weg gemeinsam mit dir zu gehen. Lass uns zusammen die Welt nicht nur träumen, sondern sie aktiv gestalten.

In tiefer Verbundenheit,

deine Svenja

Ein Portrait-Foto von Svenja, mit dem Meer im Hintergrund. Svenja lacht in die Kamera.
Svenja Tasler
13.5.24
10 Min. Lesezeit